Bye Bye Hommage 2021
leger vinavant
Vom 7. Februar bis 30 Juni 2021 sind in der unteren Altstadt von Bern an den Hausfassaden der Herren- und Münstergasse die Fotoprints von 52 Frauen zu sehen, je zwei aus jedem Kanton. Wer den QR-Code anwählt, hört ein Statement und kann zudem auf der Webseite von Omagi 2021 kurz ihr Leben und Wirken nachlesen.
Hinter der einfachen Ausstellung steckt ebenso detaillierte wie spannende Arbeit von Expertinnen aus allen Kantonen, Archiven (u.a. Gosteli-Stiftung oder AARDT), Schulen und Übersetzungsteams. Vielleicht auch aus Ihrer näheren Umgebung? Oder kennen Sie eine Pionierin aus dem Tessin? Aus dem Kt. Thurgau oder Kt. Schaffhausen? Weiterlesen
Den wenigsten Frauen kam bisher die Ehre zu, mit einem Strassennamen, einer Plakette an einem Haus oder gar mit einem Denkmal für ihre Leistungen geehrt zu werden. Im Festjahr aber erscheinen am 7. Feb. 2021 ihre Porträts in der unteren Altstadt in Bern und verbleiben dort bis in den Sommer. Für die Auswahl arbeitet Omagi 2021 mit Historikerinnen, Kulturwissenschaftlerinnen und Soziologinnen aus allen Kantonen zusammen. Mancherorts haben Frauenarchive bereits wichtige Vorarbeit geleistet, nicht überall jedoch. Die Historikerin Edith Hiltbrunner aus Olten bspw. leistet für die 7 Pionierinnen des Kantons Solothurn eine umfangreiche Recherchearbeit, forscht bei kantonalen Ämtern nach Personendaten, sucht in Zeitungen nach Texten, schreibt diverse Archive und Bibliotheken an und kontaktiert Verwandte der Pionierinnen. «Über Solothurnerinnen und ihre Leistungen wurde bis heute sehr wenig publiziert. Ich hoffe, das Projekt Omagi 2021 macht neugierig auf Frauenbiographien und ist ein Impuls für die Forschung».
Auch Elena Angiolini aus dem Kt. Jura, Historikerin im Masterstudium an der Universität Fribourg, liegt viel daran, ihren Kanton mit den Geschichten seiner engagierten Frauen zu präsentieren: «Sie waren sehr aktiv im Kampf um die Unabhängigkeit von Bern. Es gibt daher Material zu Politikerinnen, aber darüber hinaus ist es teilweise ernüchternd: Unter den 119 privaten Archivbeständen, die den Kantonsarchiven gespendet und in ihnen verzeichnet sind, finden sich nur gerade zwei von Frauen. Die Initiative dazu muss in der Regel von den Familien ausgehen. Aber das geschieht bei Frauen noch kaum.»
Fiona Silva Vicente, Historikerin im Masterstudium an der Universität Neuenburg, hat sich als gebürtige Waadtländerin die Recherche gleich zweier Kantone, Neuenburg und Waadt, vorgenommen: «Das Thema fasziniert mich seit langem und die Recherche für Omagi 2021 hat mich im Hinblick auf dessen Publikum zusätzlich motiviert. Es ist unglaublich, was gewisse Frauen alles geleistet haben, und man weiss so wenig über sie. Ich möchte helfen, das zu ändern.» Genau dies haben auch die anderen Expertinnen vor. Aus diesem Grund werden auf der Webseite unseres Projektes und in der Ausstellung an den Fassaden der Herren- und Münstergasse in Bern neben bekannten Pionierinnen auch Frauen in Erscheinung treten, die weniger auf nationaler oder internationaler Ebene gewirkt haben, aber in ihrer Region für bessere Lebensbedingungen eingestanden sind und mitgeholfen haben, die Stimmbürger für ein JA an der Urne zu gewinnen: die Wirtin einer Kleinstadt, die Hebamme einer Talschaft, die Bäuerin und Frauenrechtlerin eines grossen Landwirtschaftsbetriebs etwa. Nicht zu vergessen die Frauen, die als Journalistinnen Wesentliches zum Meinungsumschwung beigetragen haben Ihre Arbeit ist in unserem föderalistisch organisierten Staatsgebilde nicht zu unterschätzen. Es setzt Mut, Unerschrockenheit und einen langen Atem voraus, an Orten, wo jede/-r jede/-n kennt den Boden zu schaffen für etwas, was lange unvorstellbar war. Omagi 2021 will gerade auch diese Frauen ehren und würdigen.
Die Fotos finden die Expertinnen in den Sammlungen zahlreicher Archive landauf und landab. Von allem Anfang an unterstützte das Gosteli-Stiftung in Worblaufen die Bestrebungen unseres Projektes, aber auch die AARDT in Massagno/TI stellt uns ihre Fotos zur Verfügung, das Schweizerische Sozialarchiv Zürich, das Nationalmuseum, das Bundesarchiv, Staats- und Regionalarchive aller Kantone steuern Bilder aus ihren Beständen bei, ebenso die Agentur Keystone-SDA. Damit Omagi 2021 Bilder der Schweizerinnen und ihrer Geschichte zeigen kann, blättern Nachkommen in den Fotobüchern ihrer Familien, reinigen Mediatheken aufwändig alte Negative, durchforsten Fotografen ihre Archive und sichten Nachlassverwalter die Schwarz-weiss-Fotofilme ihrer Väter. Zusammen mit den Schulklassen aus allen Kantonen, welche die beiden Frauen für die Fotoprints an den Hausfassaden der unteren Altstadt auswählen, entsteht die Ausstellung von Omagi 2021 als weitverzweigte, interkantonale Gemeinschaftsarbeit.
Zu sehen ist sie vom 7. Februar bis 30. Juni 2021 in der Münster- und Herrengasse in Bern. Hier erscheinen laufend weitere Porträts aus den Kantonen. Die Übersetzung der biografischen Texte in zwei weitere Landessprachen übernimmt die Redaktion des Historischen Lexikons HLS. lh